Leseprobe-Norinas Tagebuch

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Liebes Tagebuch,                                                                                                             13.06.2012

der erste Bericht, den ich hier festhalten möchte, beginnt mit einer Neuigkeit, die Mama uns vor ein paar Tagen zu verkünden hatte. Ich musste das erst einmal verarbeiten, konnte nicht darüber reden, habe mich aber dann doch dazu entschlossen, es hier zu erzählen.

"Milana, Norina, kommt ihr bitte mal?" hatte Mama uns gerufen und klang recht fröhlich. Das konnte ich ihrer Stimme anhören. Meine ältere Schwester und ich saßen gerade an unseren Hausaufgaben, als Mama uns rief. Milana verließ ihr Zimmer sofort, während ich noch einen Satz zu Ende schreiben wollte, den ich wahrscheinlich vergessen hätte, wenn ich später weiter schreiben wollte. Ich bin eine ehrgeizige Schülerin, die fleißig ihre Hausaufgaben macht, dafür viel Anerkennung erhält und gute Noten schreibt. Nachdem ich den Satz beendet hatte, ging ich hinunter ins Wohnzimmer, in dem Mama und Milana bereits warteten. "Norina, Schatz", sagte Mama lächelnd, "setz dich zu uns." Sie klopfte auf einen freien Platz neben sich. Milana saß im Sessel. Also setzte ich mich zu Mama aufs Sofa. Sie räusperte ich. "Meine Süßen", begann sie, "ich habe etwas mit euch zu besprechen." Schweigend sahen Milana und ich Mama an. "Es hat geklappt mit dem neuen Job." platzte sie auf einmal heraus. Erst da fiel mir auf, dass ein Schreiben auf dem Wohnzimmertisch lag. "Als Fremdsprachensekretärin." fuhr Mama unbeirrt fort. "Und wo?" traute Milana sich zu fragen. "In Lübeck. Du erinnerst dich doch sich noch an das Vorstellungsgespräch, als ich ein paar Tage in Lübeck war?" Langsam nickte meine Schwester. Auch ich erinnere mich noch gut an die Zeit. In der Zeit kümmerte sich unsere Oma, die Mutter meiner Mutter um Milana und mich. Oma hatte sich sehr darüber gefreut, dass wir bei ihr waren. Sie leidet noch immer sehr unter dem Tod ihrer älteren Tochter Tamina. Seitdem Opa letztes Jahr auch noch verstorben ist, ist Oma oft einsam. Wir verbrachten schöne Tage mit vielen Unternehmungen. Aber Oma erlaubte uns auch viel und steckte uns den einen oder anderen Euro zu. "Lübeck." wiederholte Milana. Mama nickte. "Aber...aber das geht nicht!" sagte Milana und sprang auf. "Ich wechsele doch nicht für ein Jahr die Schule. Nein, das mache ich nicht mit! Außerdem bin ich endlich mit Niclas zusammen. Bei aller Liebe nicht!" Milana schimpfte und tobte. Ihr italienisches Temperament kam durch. "Milana." sagte Mama schließlich energisch. "MI-LA-NA!" Langsam beruhigte meine Schwester sich dann doch. "Hör mich doch erst einmal an, bevor du dich aufregst." sagte Mama nun ruhig. So setzte Milana sich wieder. "Milana, meine Große", sprach Mama weiter, "meinst du ich wüsste das nicht? Für ein Jahr die Schule zu wechseln ist natürlich Unsinn. Die Abiturvoraussetzungen sind ja von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Ich weiß nicht, ob du das woanders schaffen würdest. Du weißt ja selber, wie es derezeit mit deinen Noten aussieht. Du musst dich ja jetzt schon anstrengen, überhaupt zugelassen zu werden." Milana nickte. Ja, leider ist sie nicht mehr so gut in der Schule. Allerdings strengt sie sich wirklich an. "Darum habe ich mir etwas überlegt." fuhr Mama fort. Sie atmete tief durch. "Wenn du es möchtest, darfst du bei Oma einziehen. Außerdem bist du ja ohnehin bald volljährig..." "Was?" Milana sprang erneut auf - doch diesmal um Mama zu umarmen. "Danke! 1000 Dank! Das ist super! Das vergesse ich dir nie! Du bist die Beste!" Miana war unheimlich froh und glücklich. "Stopp!" antwortete Mama lachend. "Eins musst du mir versprechen." "Alles, was du willst." lachte meine Schwester. "Du gehst Oma im Haushalt zur Hand. Du hörst auf das, was sie sagt - und keine Partys unter der Woche. Außerdem wirst du dich hinsetzen und lernen, lernen, lernen. Du willst das Abi sicher nicht in den Sand setzen." "Na klar!" versprach Milana ihr glücklich. Ich weiß, dass sie sich daran halten wird. Dafür haben wir genug Freiheiten bei unserer Oma. Doch das weiß Mama nicht. Wird Milana sich nicht daran halten, wird Mama sie sofort nach Lübeck holen. Das weiß sie. Ich hingegen saß noch immer schweigend neben Mama. "Und was ist mit mir", dachte ich, "was ist mit Mya und den anderen?" "Guck nicht so traurig, Häschen." sagte Mama jetzt zu mir und legte die Hand auf meinen Oberschenkel. "Wir werden eine tolle Zeit in Lübeck haben. Du wirst sehen. Lübeck ist eine tolle Stadt. Mya und du könnt euch doch in den Ferien besuchen. Ansonsten wirst du sicher schnell Anschluss zu deinen Mitschülern finden. Du weißt ja, dass ich unbedingt wieder einen richtigen Job brauche." Ja, das weiß ich. Derzeit arbeitet Mama als Aushilfe in einem Supermarkt und sortiert Waren in die Regale. Als sie noch mit Papa verheiratet war, arbeitete sie nicht. Laut Tradition hat eine Frau zu Hause bei den Kindern zu bleiben um diese zu erziehen und für sie zu kochen. Nachdem sie sich getrennt hatten, war es sehr schwer einen Job zu finden und sie konnte froh sein, dass sie wenigstens etwas gefunden hatte. Doch muss ihre neue Arbeit 700 km weit weg und in einer Großstadt sein? "Hast du denn schon nach einer Wohnung geguckt?" fragte Milana interessiert. "Nein." Mama schüttelte den Kopf. "Die Firma stellt eine Wohnung zur Verfügung, damit man vor Ort in Ruhe suchen kann. Doch da diese Wohnung möbliert ist, werden wir unsere Möbel erst einmal zwischenlagern müssen." Milana nickte verständig. Sie unterhielten sich beide frohgemut. "Papa", dachte ich, "Papa." Auf einmal vermisste ich ihn und wollte bei ihm sein. Vor einiger Zeit trennten Mama und er sich ja. Wie lange ist das schon her? Ich wünschte, es wäre alles wie früher. Früher waren wir glücklich. Da gab es nur uns: Mama, Papa, Milana und mich. Doch dann stritten Mama und er fast jeden Tag - oder jede Nacht. Das hat mir Angst gemacht. Als wir dann erfuhren, dass sie sich trennen würden, hat sich niemand darüber gewundert. Traurig war ich trotzdem. "Ist doch besser so." sagte Milana zu mir, als ich ihr sagte, wie traurig ich bin. Das konnte ich nicht verstehen. Aber sie hatte auch nie so den Draht zu Papa wie ich. Als er dann Adriana, seine neue Frau kennen lernte, die ebenfalls Italienerin ist, ging er nach Italien zurück. Dort hat er eine neue Familie gegründet und meine beiden Halbgeschwister Rosanna und Alessandro wurden geboren. Irgendwie war das ein komisches Gefühl, noch einmal zwei Geschwister zu bekommen. Aber wir sehen uns auch nicht so häufig und haben zu Papa nur sporadischen Kontakt. Darum habe ich auch nicht so eine Bindung zu den Kleinen wie zu Milana, auch, wenn wir uns oft streiten. Doch das ist etwas anderes, wenn man mit Geschwistern aufwächst, als wenn die tausende Kilometer weit entfernt leben. Papa meldet sich nur noch selten und zahlt unregelmäßig Unterhalt, wie ich von Mama erfahren habe. Irgendwie ist das auch nicht so einfach mit den Konten. Mehr weiß ich darüber nicht, denn ich kenne mich damit nicht aus. Doch Mama schimpft noch immer sehr über Papa. Ich glaube, sie ist immer noch total verletzt, dass er sie betrogen hat. ich wollte es nicht wissen und Mama hätte nichts erzählen sollen. Aber sie hat es Milana und mir brühwarm erzählt. Während Milana nur mit den Schultern gezuckt hat, habe ich angefangen zu weinen. Ich war etwas über 10 Jahre, wenn ich mich recht erinnere. Mama ist ausgerastett und hat ihn vor die Tür gesetzt. Das war eine sehr schlimme Zeit für mich. In der Zeit war Mya für mich da und hat mich getröstet. Ich bin echt froh, dass ich sie habe. Ich wollte Mama nicht auch noch Ärger machen und hielt mich mit allem zurück. "Wir drei sind jetzt ein Team", sagte sie oft zu uns. "Wir schaffen das schon."

Dann kam der Plan nach Lübeck zu ziehen. Seit ein paar Tagen weiß ich das nun. Aber vorstellen kann ich mir das immer noch nicht. Vielleicht wird das ja trotzdem eine schöne Zeit werden. In Großstädten ist ja alles anonymer. Vielleicht ist das ja ein Vorteil. Das weiß ich nicht. Allerdings war ich schon mal mit meiner Familie ein paar Tage in dieser Stadt. Als es dort günstige Angebote gab, haben wir dort einen Kurzurlaub gemacht. Genau erinnere ich mich allerdings nicht mehr. Ich versuche mir auch immer wieder vorzustellen wie es sein wird. Doch es fällt mir sehr schwer. Jedenfalls meckere ich nicht, denn ich will Mama nicht traurig machen. Als ich es erfahren habe, schlief ich im Übrigen total unruhig und träumte wirres Zeug.

Für heute habe ich genug berichtet und höre erst mal auf. Mal sehen, wie es weitergeht.

Liebe Grüße

Norina

 

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